Bauabschluss der frühmittelalterlichen Kirche

Bauabschluss der frühmittelalterlichen Kirche

Dr. Franz Pieler (Wissenschaftliche Leitung MAMUZ), Dr. Wolfgang F. A. Lobisser (Experimentalarchäologe) und Christoph Mayer, MAS (Geschäftsführer MAMUZ) im Gespräch zum Bau der frühmittelalterlichen Kirche.

(c) netta mea

Im MAMUZ Schloss Asparn/Zaya wurde am Samstag, 30. Oktober, im Beisein zahlreicher Gäste der Bauabschluss einer frühmittelalterlichen Kirche gefeiert. Seit Mai wurde im archäologischen Freigelände an der Errichtung des Sakralbaus im frühchristlichen Stil gearbeitet. Zur Anwendung kamen vor allem experimentalarchäologische Techniken und Methoden. Der Neubau bildet den Auftakt für einen geplanten mittelalterlichen Siedlungskomplex.

Am 30. Oktober wurde ins MAMUZ Schloss Asparn/Zaya zur Präsentation der abgeschlossenen Bauarbeiten an der Kirchenkonstruktion geladen. MAMUZ-Geschäftsführer Christoph Mayer und der wissenschaftliche Leiter des MAMUZ, Franz Pieler, informierten über das Kirchenbau-Projekt. „Mit dem Bauprojekt gelingt es uns, den historischen Bogen im archäologischen Freigelände von der Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas bis ins Frühmittelalter zu spannen. Das ermöglicht auch eine inhaltliche Erweiterung der Vermittlungsprogramme und historischen Feste. Für die Besucher*innen können wir damit den Standort in Asparn noch attraktiver gestalten,“ freute sich MAMUZ-Geschäftsführer Christoph Mayer.

Die Gebäuderekonstruktionen im Freigelände des MAMUZ Schloss Asparn/Zaya basieren allesamt auf der Grundlage archäologischer Grabungsbefunde. So folgt auch der Kirchenbau einem originalen Vorbild: Zwischen 2008 und 2012 wurden bei einer archäologischen Ausgrabung in Pohansko bei Břeclav die Reste einer Rundkirche aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. gefunden. „Pohansko war eine der großen Zentralsiedlungen des sogenannten „Großmährischen Reichs“ an der Thaya, das seine Einflusszone bis weit ins heutige Weinviertel ausgedehnt hatte. Es war daher naheliegend den architektonisch interessanten und gut dokumentierten Befund aus Pohansko als Vorbild für unser Modell heranzuziehen,“ erklärte Franz Pieler.

Wolfgang Lobisser, der den Kirchenbau mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologe für das MAMUZ umsetzte, berichtete außerdem über die bautechnische Vorgehensweise bei der Kirchenkonstruktion: „Die wichtigsten Werkzeugtypen im Frühmittelalter waren Äxte in unterschiedlichen Formen, Dechsel, Stemmbeitel, Hohlbeitel, Ziehmesser, Sägen, Löffelbohrer, Ahlen, Messer und Hobel. Diese haben wir nach archäologischen Vorbildern unter Verwendung der damaligen Techniken für den Kirchenbau nachgeformt.“

Die Bauarbeiten erfolgten unter weitgehendem Einsatz von Methoden der Experimentellen Archäologie und schafften dadurch die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zur frühmittelalterlichen Bauweise sowie zu den verschiedenen Arbeitstraditionen und Handwerkstechniken zu gewinnen. Unter der Anleitung von Lobisser konnten die anwesenden Gäste am Samstagnachmittag die historischen Holzwerkzeuge, die für die Errichtung der Kirche verwendet wurden, selbst ausprobieren.

Petr Dresler, der das Institut für Archäologie und Museologie der Masaryk-Universität in Brno vertrat, berichtete über den Ausgrabungsbefund in Pohansko. Die Kirche sollte offenbar den Schein eines reinen Steinbaus erwecken, wurde aber tatsächlich mithilfe einer stützenden Holzkonstruktion errichtet. Grund dafür war wohl das fehlende Wissen der Bauherren über Steintechnologie oder man wollte oder konnte sich einen reinen Steinbau nicht leisten. Die Kombination von Holz- und Steinbautechnik wurde auch bei der Kirchenerrichtung im MAMUZ angewandt. „Ein Traum wird wahr,“ freute sich Dresler beim Anblick der Kirche. „Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Kirche ausgesehen haben könnte. Nun bin ich überwältigt.“

Zu Gast war auch NÖ-Landtagspräsident Karl Wilfing, der die Bedeutsamkeit des Projekts betonte: „Die Rekonstruktion des Bauwerkes hat für das Land Niederösterreich eine enorme Bedeutung. Denn mit diesem Projekt der neuen, alten frühmittelalterlichen Kirche hier in Asparn, wird die Überlieferung historisch bedeutsamer Baukunst gewährleistet. Ich bedanke mich bei den Beteiligten für ihre Arbeit und ihre Präzision beim mühevollen Bau der Kirche, mit welcher viele Fragen über das Schaffen unserer Vorfahren hier vom Weinviertel aus beantwortet werden.“

Die neue Kirche im archäologischen Freigelände des MAMUZ Schloss Asparn/Zaya bildet das erste Gebäude eines Frühmittelalter-Ensembles. Geplant ist eine an die Eisenzeit anschließende Siedlung mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, die das Frühmittelalter in Mitteleuropa widerspiegeln. Damit werden parallel zur Dauerausstellung im Schloss ebenso im Freigelände 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte von der Altsteinzeit bis ins Mittelalter erlebbar.

Die Kirche entsteht im Rahmen des Interreg-Projektes ATCZ59 I-CULT „Internationale Kulturplattform“. Die Finanzierung erfolgt aus dem Programm INTERREG V-A Österreich-Tschechische Republik, gefördert vom Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE).

Die offizielle Eröffnung der Kirche findet in der Folgesaison am 26. März 2022 statt. Die bis dahin noch folgenden Arbeitsschritte sind die Bemalung der Innen- und Außenwände sowie die Ausstattung des Kircheninnenraums.

 

Hier gibt es das Gespräch vom 25. Juni 2021 zum Bau der frühmittelalterlichen Kirche zum Nachschauen.

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